Dr. Friedhelm Boschert hat es geschafft Achtsamkeit und Ruhe in eine Branche zu bringen, in welcher sonst purer Stress herrscht … zumindest habe ich die Finanzwelt bisher so empfunden. Mit seinen Seminaren und ehrenamtlichen Tätigkeiten engagiert er sich in dem wachsenden Gebiet der „mindful finance“, wie er sagt: Die „Zukunft der Finanzwelt“.
Ein wirklich spannendes Thema und besonderer Mensch von dem auch wir viel lernen konnten. Dieses Interview war uns eine besondere Freude und hoffen, dass auch ihr euch die Zeit nehmen könnt, um es achtsam zu lesen :).
Wie und wann kamst du zur Idee ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Das war kein bestimmter Zeitpunkt, mir war es eher schon immer klar.
Ich war mein Leben lang als Banker angestellt und habe in den 90er Jahren bereits zu meditieren begonnen. Das lernte ich in während eines Aufenthalts bei Mönchen in einem Kloster, um mit der angespannten Phase während dem Schreiben meiner Doktorarbeit besser umgehen zu können. Das Meditieren hat mir dabei geholfen diese anstrengende Phase gut überstehen und seitdem gehört es zu meinem Leben.
Das heißt, ich war einerseits Banker, habe aber auch Entwicklungspolitik gemacht und mich immer wieder für Reisen in Entwicklungsländer freistellen lassen, um Projekte für die deutsche Bundesregierung durchzuführen. Ich stand also immer auf „mehreren Beinen“.
2011/12 wurde meine Bank dann jedoch verkauft und ich dachte darüber nach was ich tun werde, wenn ich dort ausschreite. In Pension gehen war keine Option, denn ich wusste genau, dass ich das, was ich die ganze Zeit schon praktizierte, in die Wirtschaft bringen will. Mit Achtsamkeit sich selber, die Umgebung und auch Unternehmen verändern. Das ist meine Aufgabe. Da musste ich auch nicht lange überlegen und planen. Mir war klar, wie ich als selbstständiger arbeiten will.
Zu Beginn habe ich auch wirklich sehr viel Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten verwendet, denn wenn man selbstständig wird, hat man zunächst einmal das Gefühl besonders viel Zeit zu haben. Doch mein Business ging ab einem gewissen Punkt nicht mehr so gut voran, weil ich mich so viel ehrenamtlich engagierte, unter anderem auch bei Oikokredit. Das musste dann etwas anders gewichtet werden. Heute gibt es auch noch die Initiative „Achtsames Österreich“, für die ich mich engagiere. Hier versuchen wir der Politik das Thema Achtsamkeit und die positiven Auswirkungen davon für die Bevölkerung näher zu bringen.
Was war damals deine Motivation und Vision?
Die Vision war damals meine Erfahrung und mein Verständnis von Führung in Unternehmen zu bringen. An sich ist sie auch immer noch dieselbe, jedoch ist sie breiter geworden. Unter anderem gibt es nun auch das Mindful Finance Institut, mit dem wir eine Wirkung auf die gesamte Finanz Branche haben. Diese wartet händeringend auf einen Wandel, welcher noch nicht stattgefunden hat. Achtsamkeit kann hier sehr viel beitragen, gerade im Finanzwesen.
Die Vision ist also vom Unternehmen auf die Branche und über die Initiative Achtsames Österreich auch die Politik und auf die ganze Gesellschaft übergegangen.
Gab es anfängliche Herausforderungen?
Viele Menschen gehen heute weg von der Wirtschaft, wollen etwas Eigenes starten und denken, dass das für sie besonders leicht wird, denn sie haben ja bereits unglaublich viele Kontakte gesammelt. Doch plötzlich wird man in einer ganz anderen Rolle, nicht wie früher und oft schon gar nicht als Geschäftspartner, wahrgenommen. Das war eine echte Herausforderung, als ich erkannte, dass es gar nicht so einfach ist, wenn auch nicht unmöglich. Ich erlebe es wirklich häufig, dass auch andere, die aus der Wirtschaft kommen glauben, sie haben Kontakte zu vielen Firmen und können jedenfalls auf diese zurückgreifen. So funktioniert das aber nicht unbedingt. Es ist aber auch nicht unmöglich. Man muss nur einen langen Atem haben.
Wie sieht heute ein typischer Tag in deinem Leben aus?
Also es gibt Tage, da bin ich zu Hause/im Office und es gibt Tage, da bin ich beim Kunden im Training. Aber um vielleicht noch viel früher anzusetzen: Mein Tag beginnt um 5:30 mit einer Stunde meditieren, Yoga und allem Drum und Dran. Das ist mir besonders wichtig, denn da erde ich mich, positioniere mich und starte meinen Tag. Das gehört einfach seit zwanzig Jahren zu mir. Auch bei Seminaren biete ich immer um 6 Uhr morgens QiGong an um Energie für den Tag zu sammeln. Ich erlebe, dass die Leute das wirklich gerne annehmen, weil sie wissen, oder zumindest spüren, dass irgendetwas nicht passt. Diese Angespanntheit und der Stress müssen geändert werden. Angefangen bei einem selbst. Nach einem Seminar-Tag bin ich auch dadurch in der glücklichen Lage nie völlig geschafft zu sein, denn auch untertags baue ich immer wieder Achtsamkeits-Übungen in die Seminare ein. Ganz im Gegenteil, ich bin danach völlig energetisiert.
Wenn ich zu Hause bin besteht ein großer Teil der Arbeit aus „unproduktiven Zeiten“, also Reiseplanung, Akquisition, Telefonaten und anderen organisatorischen Dingen. Das hat mich am Anfang etwas geärgert, denn ich wollte ja Seminare machen, aber das gehört einfach auch dazu, genauso wie Buchhaltung. Das sollte man allerdings nicht unterschätzen, denn das frisst einiges der Zeit. Allerdings ist es natürlich auch ein Privileg, dass ich diesen Teil der Arbeit z.B. im Garten erledigen kann.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten und Qualitäten um in deiner
Branche erfolgreich zu sein?
Für das was ich tue ist es ganz wichtig Menschen zu mögen und mögen mit ihnen zu arbeiten. Das klingt zwar banal, ist aber nicht selbstverständlich. Wenn das die Grundlage ist kann man auch wertschätzend mit ihnen in Seminaren und Coachings umgehen. Denn eines der wichtigsten Dinge ist für mich respektvoll und wertschätzend mit Menschen umzugehen, egal ob sie meiner Idee folgen oder nicht.
Zusätzlich muss man natürlich auch überzeugend sein und sich selbst gut „verkaufen“ können. Sich und sein Produkt gut zu vermarkten ist wirklich wichtig zu lernen.
Eine gewisse Resilienz gegenüber Niederlagen ist natürlich auch wichtig. Enttäuschungen und Erfolge liegen nah beieinander und gerade als selbstständige/r ist es gut, wenn man aus einem Tief und Ärger gestärkt hervortreten und weitermachen kann. Das lernte ich in der Praxis und zum Teil auch natürlich leidvoll. Absagen, oder dass sich eine Firma für jemand anderen entschieden hat, ist schon sehr schwer zu lesen und ließ mich auch in ein Loch fallen. Aber da muss man wieder raus, denn es ändert nichts an der Sache, wenn man zwei Tage nach so etwas deprimiert ist. Eine gewisse Resilienz ist also eine wichtige Fähigkeit.
Hast du ein Erfolgsgeheimnis?
Also ein Erfolgsgeheimnis hab ich gar nicht, denn ich habe keine Geheimnisse. 🙂
Ich denke allerdings, dass es am Mindset liegt. Für mich war es heute wie gestern zentral wertschätzend mit anderen umzugehen und zu führen.
Wie verdienst du/dein Unternehmen Geld?
Ich habe drei Standbeine. Zum einen Lehre ich an der Fachhochschule, da gibt es etwas Geld, eher ein Taschengeld. Das macht mir aber sehr viel Spaß auch mit den Studenten und mehr wissenschaftlich zu arbeiten.
Dann gibt es die Kooperation mit der Akademie, wo ich Aufträge übernehme wobei ich meinen Hauptverdienst aus eigens organisierten Seminaren beziehe. Da biete ich Seminare, Coachings und Workshops z.B. auch für Team Building an.
Gibt es etwas, dass du an deiner Branche verbesserungswürdig findest?
Nagut, über die Verbesserungswürdigkeit der Finanz Branche könnte ich sehr viel sagen. Im Bereich Beratung, Trainings und Achtsamkeit fällt mir oftmals auf, das zu wenig an der beruflichen Situation der Menschen angesetzt wird. Direkt im Arbeitsplatz-Kontext zu arbeiten, dort, wo die Angestellten den Großteil ihres Jahres verbringen, macht einen großen Unterschied. Gerade bei Achtsamkeit ist es ja wichtig, dass das in den Tag auch wirklich eingebaut und verwendet werden kann.
Wenn du noch einmal neu starten könntest, würdest du etwas anders machen?
Ich würde vielleicht heute schneller und mehr in Marketing und Unterstützung investieren. Sehr viel selber zu machen war immer sehr zeitaufwendig. Unterstützung bei z.B. organisatorischem ist hier wirklich wichtig und im Nachhinein würde ich wahrscheinlich lieber früher Geld investieren, um mir etwas Arbeit abnehmen zu lassen.
Was rätst du anderen für ihr Leben und ihren Werdegang?
Etwas, das natürlich mit meinem Job zusammenhängt und von dem ich gerne schon früher gehört hätte ist von Kapat-Zinn: „Wir haben nur die Gegenwart zum Leben. Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft ist noch nicht da.“ Die einzige Zeit, die wir zum Leben haben ist jetzt, diese Sekunde. Wenn wir die verpassen, ist sie eben vorbei. Deshalb ist es wichtig achtsam und nicht völlig automatisch (achtlos) durchs Leben zu gehen. Ganz schnell ist die Sekunde vorbei, genauso wie die nächste. Wenn man das nicht achtsam wahrnimmt verpasst man sehr viel, was man nicht mehr zurückholen kann.
1 Kommentar
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