Jung und Alt, verträgt sich das?
Die Co-Gründerin von Wohnbuddy, Marlene Welzl, sagt ja – und diese Kombination kann noch viel mehr als „nur“ den Austausch über Erfahrungsschätze zu ermöglichen. Mit dem durch und durch sozialen Business Modell von Wohnbuddy stellt sie jungen Menschen leistbares Wohnen zur Verfügung und schafft eine Verbindung von jung und alt, von der beide Seiten profitieren.
Ich freue mich wirklich sehr, Dir ein Green Business Interview mit dieser außergewöhnlichen Gründerin zur Verfügung stellen zu können! Ich wünsche Dir viel Freude beim Lesen und Du weißt, wir freuen uns immer über Kommentare und regem Austausch über Deine Erfahrungen!
Los gehts ☺
Wie und wann kamst du zur Idee ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Die Unternehmensgründung an sich ist eigentlich nie im Mittelpunkt gestanden. Es war einfach die Idee da, jung und alt zusammen zu bringen und dadurch eine Win-Win Situation für beide Seiten zu schaffen. Wir haben Wohnbuddy zu dritt von Anfang an angetrieben. Wie alle drei sind von anderen Bundesländern für unser Studium nach Wien gezogen und davor generationsübergreifend aufgewachsen. Uns ist dann einfach aufgefallen das es in Wien eigentlich wenig Berührungspunkte zwischen jung und alt gibt – was uns etwas gefehlt hat.
Bei mir war es so, dass ich damals in einem alten Wohnhaus in Wien gelebt habe, kein Lift, 4 Stockwerke und eine alte Dame im 3. Stock, der ich natürlich auch immer wieder einmal beim hochtragen der Einkäufe geholfen hab. Immer wieder hab ich dann auch einen Kaffee mit ihr getrunken, und es war tatsächlich so, dass sie alleine in einer 80m2Wohnung mit günstigem Mietzins gelebt hat. Auf der anderen Seite steigen in Wien immer mehr die Mietpreise und junge Menschen können es sich kaum leisten auszuziehen.
Aus den beiden Beobachtungen heraus kam dann die Entscheidung zu schauen, wie man die Bedürfnisse dieser beiden zusammenführt.
Daraufhin haben wir uns natürlich viel mit der Idee beschäftigt und haben gesehen, dass es diese Konzepte in anderen Ländern sehr wohl auch bereits gibt. Z.B. in Deutschland, der Schweiz oder England – bekannt unter „Home Sharing“. Das hat uns zu dem Gedanken gebracht: „Wenn es wo anders funktioniert, warum sollte es in Wien dann nicht funktionieren?“
Um mit Wohnbuddy Insellösung bleiben zu müssen und es qualitativ und so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen, war es allerdings notwendig, das Konzept auf unternehmerische Füße zu stellen, alleine um z.B. auch Förderungen beantragen zu können.
Was war damals deine Motivation und Vision?
Die Motivation war einfach jung und alt zusammen zu bringen. Ich bin selbst ein Mensch, der sich in Umgebung von alten Leuten wohl fühlt, denn ich finde das immer spannend, wenn man in einer anderen Lebenswelt ist. Mit älteren Menschen redet man über andere Dinge, als man es mit gleichaltrigen wahrscheinlich tun würde. Man kommt aus dem eigenen Alltag raus und genauso ist es auch für den älteren Menschen.
Das ist wirklich horizonterweiternd. Ich bin ein sehr neugieriger und wissbegieriger Mensch und die Erfahrung, die ich bei Wohnbuddy mache, ist, dass viele andere junge Menschen hier genauso sind wie ich, das als Bereicherung sehen und sich auch genau deswegen bei uns melden.
Gab es anfängliche Herausforderungen?
Ja, um Gottes Willen. Die erste WG zu vermitteln war eine große Herausforderung. Die Kern Herausforderung ist auch immer noch an den Wohnraum heranzukommen. Vor allem bei den privaten ist es ein großer Schritt sich jemanden fremden ins Haus zu nehmen. Jetzt haben wir das Glück, dass wir bereits einige Wohnraumsteller haben. Allerdings stellen wir fest, dass es schwieriger wird, je weiter wir von Wien wegkommen. Vor allem StudentInnen wollen natürlich gerne direkt in Wien wohnen, was ich total verstehe.
Deswegen dauert die Vermittlung manchmal ein bisschen länger. An die Wohnraum-Suchenden heranzukommen war nie schwierig, die wirklich passende Person zu finden natürlich schon etwas schwerer – aber trotzdem noch total unproblematisch. Mit unserem Angebot ziehen wir ja eine gewisse „Art“ von Menschen an, von beiden Seiten.
Das Juristische/Rechtliche allerdings war schon auch herausfordernd und die erhalten Gelder durch Förderungen fließen auch dort hinein, um vertragliche Lösungen zum Mietrecht auszuarbeiten. Wir wollen ein flexibles und kostengünstiges Wohnen möglich machen und das war nicht so einfach.
Wie sieht heute ein typischer Tag in deinem Leben aus?
Einerseits bin ich wirklich sehr viel mit unseren Kunden in Kontakt. Ich bekomme eine E-Mail über jede Anmeldung und schaue, dass ich so schnell wie möglich Kontakt mit der jeweiligen Person aufnehme. Ich organisiere und verwalte also sehr viel, mach aber auch sehr viel Netzwerk Arbeit z.B. bei Institutionen der Stadt Wien, um starke Partner zu bekommen wie z.B. die Caritas. Netzwerkpflege und weitere Gewinnung von Partnern ist also auch ein konkretes Aufgabenfeld.
Andererseits stehen jetzt gerade Einreichungen für gewisse Förderungen am Programm. Ich denke, dass ist der Alltag eines jeden social Entrepreneurs.
In den letzten 2 Jahren hatte ich einen 40h+ Job und sehe schon einen deutlichen Unterschied zu jetzt. Damals ging auch viel Zeit an Meetings, Gesprächen mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten verloren und jetzt, wenn ich arbeite, arbeite ich wirklich meine to-do Liste ab und schiebe nichts auf. Es ist intensiver, jedoch auch weniger und die Arbeitszeit ist kürzer. Zudem kann ich meine eigenen Hochs und Tiefs nutzen, ich denke die hat jede/r. Somit bin ich produktiver.
Die Arbeit und Freizeit möchte ich dabei allerdings so gut wie möglich trennen, denn das ist besonders als Jungunternehmer wichtig. Man muss sich wirklich selber davor schützen, dass die Arbeit nicht überhandnimmt und man ausbrennt. Familie, Freunde und Freizeit gehören dazu und den eigenen Körper zu respektieren und darauf zu achten was an jedem Tag möglich ist und was nicht, ist besonders wichtig.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten und Qualitäten um in deiner
Branche erfolgreich zu sein?
Bei mir ist es sicherlich ein sehr starkes Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin. Immer wieder habe ich mir auch Aufgaben gesucht, die danach verlangen. Z.B. habe ich Chinesisch studiert.
Man muss immer wieder aufstehen, denn eine Unternehmensgründung ist keine gemähte Wiese. Es ist auch kein Sprint, sondern vielmehr ein Marathon. Deswegen muss man von der Idee wirklich zu 150% überzeugt sein. Falls dem nicht so ist, muss man halt noch auf die richtige Idee warten.
Wer nicht voll und ganz von dem eigenen Unternehmen überzeugt ist, wird auch niemand anderen dafür begeistern und durchhalten ist ebenfalls viel schwieriger.
Ich denke, was mich in dem was ich tue erfolgreich macht, ist die Authentizität, denn das spüren auch die Menschen. Das macht es mir „leicht“ z.B. auch institutionelle Kooperationspartner zu überzeugen. Unser langer Lauf hat sich bezahlt gemacht und nun kommt für uns die Ernte Phase.
Hast du ein Erfolgsgeheimnis?
Neben dem Durchhaltevermögen ist das A und O auch ein Team zu haben, auf das man sich verlassen kann. Ohne dem geht es nicht. Das richtige Team, bei dem sich die Menschen ergänzen, ist aber auch nicht so leicht zu finden. Oft merkt man vieles erst, wenn man bereits miteinander arbeitet. Ich finde es auch nicht gut, wenn man sich zu nahe ist, aber eine Vertrauensbasis muss natürlich bestehen.
Ich bin keine Einzelkämpferin und würde das alles auch nicht alleine machen wollen. Das Team mit Leuten, auf die man sich verlassen kann und die Fähigkeiten und Ideen einbringen, die man selber nicht hat, ist für mich das wichtigste. Auch Investoren investieren im Endeffekt immer in ein Team und sehen sich die Mitglieder gut an.
Wie verdienst du/dein Unternehmen Geld?
Durch Vermittlungsgebühren. Derzeit ist es so, dass es bei Wohnbuddy eine einmalige Vermittlungsgebühr gibt, welche wir aber auch immer an die Personen und den Zeitraum des Aufenthalts für beide Seiten anpassen. Z.B. suchen viele Erasmus StudentInnen teilweise nur für 2-6 Monate eine Bleibe.
In Zukunft wird es über unsere Plattform Servicepackages geben. Hier kann sich dann jede/r anmelden und es wird basierend auf eigegebenen Präferenzen und Angaben bereits ein unterschwelliges Pre-Matching gemacht z.B. auf Basis von Raucher/Nicht Raucher.
In Zukunft können sich die Wohnraumsteller auch aussuchen, wie viel wir in den Prozess involviert sein sollen, was natürlich bezahlt werden müsste. Es gibt einige, die das gar nicht brauchen, aber einige möchten hier lieber Hilfe und Beratung. Die Wohnbuddy Plattform soll den Leuten allerdings ermöglichen sich zu finden, ganz ohne unser Eingreifen.
Gibt es etwas, dass du an deiner Branche verbesserungswürdig findest?
Zu einem gewissen Grad machen wir eine neue Branche auf, nämlich das generationsübergreifende Zusammenleben. Da würde ich es gut finden, wenn die Politik noch mehr drauf schauen würde und z.B. auch Neubauprojekte ausschreibt, die im speziellen mehre Generationen fördern. Da sehen wir unsere Mission, dass wir das Wohnmodell des generationsübergreifenden Zusammenlebens in Kombination mit der Nutzung von bereits vorhandenem Wohnraum etablieren und eine Marke werden, mit der das Verbunden wird. Das Ziel von Wohnbuddy ist es also wirklich eine Ergänzung am Wohnmarkt zu sein.
Wenn du noch einmal neu starten könntest, würdest du etwas anders machen?
- Wir haben am Anfang z.B. keine Vermittlungsgebühren genommen, was im Nachhinein ein Fehler war, finde ich. Ich finde, man muss so schnell wie möglich die Zahlungsbereitschaft der Menschen testen und schauen wo die Grenze liegt, damit haben wir meiner Meinung nach zu spät angefangen. Wir waren einfach so damit beschäftigt die Vermittlungen zu machen, dass das damals untergegangen ist. Der Schritt, zu sagen: „Ok, jetzt kostet es auch etwas“, war deswegen ein großer für Wohnbuddy und für uns und wir mussten testen, ob die Leute auch bereit sind etwas zu zahlen.
Tatsächlich ist es auch ein Tipp von verschiedenen Trainern beim Unternehmensgründungsprogramm an mich gewesen, dass man nie zu wenig verlangen soll. Der zu Beginn festgelegte Preis kann im Nachhinein keine großen Sprünge mehr machen, weswegen man ihn tendenziell höher anlegen sollte als zu niedrig und dann einfach austestet. - Etwas, über das ich sehr froh bin, ist, dass wir mit Wohnbuddy organisch gewachsen sind. Das hat uns ermöglicht herauszufinden, was unsere Kunden wollen und was ihnen wichtig ist. Hätten wir mit einer großen Finanzierung und Plattform gestartet wäre das nicht so gut gegangen, da der Kontakt zu den Menschen anders gewesen wäre.
Die große Investition war bei uns im Gegensatz zu vielen anderen, Zeit anstatt Geld zur Entwicklung eines Produktes oder ähnliches. Wir bieten ja eine Dienstleistung an und ich denke, dass das organische Wachstum dafür wichtig war, wobei wir von Beginn an Preise festlegen hätten sollen. - Außerdem wäre es gut gewesen bereits früher auch auf die Politik zuzugehen. An die richtigen Personen heranzukommen ist allerdings auch eine Herausforderung.
Ein ganz wichtiges Learning war auch, dass man immer mit den EntscheidungsträgerInnen reden sollte, nicht mit irgendjemanden anderen. Man bekommt allerdings auch nicht immer gleich einen Termin mit diesen. - Und zu guter Letzt kann ich noch mitgeben, dass es sich immer auszahlt auch zu Veranstaltungen oder Treffen zu gehen, bei denen man sich vielleicht denkt „Warum bin ich eigentlich hier?“. Es tun sich immer wieder neue Möglichkeiten auf, welche man nicht erwartet. Auch wenn man den Sinn nicht unmittelbar sieht ist es essentiell Möglichkeiten wahrzunehmen und zu sehen. Das verlangt viel Eigeninitiative, denn niemand schreibt einem als Start-Up vor, was zu tun ist.
Was ratest du anderen für ihr Leben und ihren Werdegang?
In sich selbst hineinhören und immer wieder Raum und Zeit genau dafür schaffen. Dem eigenen Herzen und Bauchgefühl folgen, auch wenn es rational betrachtet im ersten Moment nicht die richtige Entscheidung zu sein scheint. Wenn man sich einmal darauf einlässt und das tut, was das Herz sagt – und das ist jetzt einfach meine Erfahrung – richten sich die anderen Dinge rundherum.
Nicht auf die Gefahren, sondern auf das positive fokussieren.
Natürlich kommen Phasen, in denen Ängste und Zweifel aufkommen. Aber dann denke ich mir einfach: „Was ist das schlimmste, was passieren kann?“ – und in meinem Fall wäre das halt wieder einen Job zu suchen, also auch nichts wirklich das schlimmste auf der Welt. Es wäre überhaupt nicht tragisch.
Was ich raten kann, ist sich selbst wirklich treu zu sein. Solange man das kann ist es das richtige.
Und selbst, wenn das mit der Unternehmung nicht klappt – wer weiß wozu das gut war, oder wohin einen das noch führen wird?