Kennst du das Gefühl, wenn du im Alltag plötzlich von intensiven negativen Gefühlen überfahren wirst, nur weil eine Person ein „falsches“ Wort zu dir gesagt hat? Wenn du gar nicht verstehst, wieso du wegen einer Kleinigkeit so intensiv reagierst? Oder wenn du dich scheinbar grundlos traurig, einsam oder niedergeschlagen fühlst? In diesen Momenten macht sich vermutlich dein verletztes inneres Kind bemerkbar. Was es damit auf sich hat und wie du damit umgehen kannst, möchte ich dir in diesem Blogbeitrag zeigen.
Was ist das innere Kind?
Wenn wir auf die Welt kommen und unsere ersten Erfahrungen sammeln, leben wir anfangs noch ganz unverfälscht den Kern unseres Wesens. Wir sind extrem stark mit unseren Sinnen verbunden – leben quasi aus unserer Intuition heraus und lassen uns von unseren Impulsen leiten. Wenn wir älter werden, uns unserer Selbst immer mehr bewusst werden und unsere Gedanken mehr und mehr die Oberhand unseres Handelns bestimmen, entwickelt sich ein zweiter Anteil heraus (mehr dazu erfährst du im Überblick): Der innere Erwachsene. Das Kind in uns lebt jedoch weiter, wenn wir älter werden. Es ist die innere Erfahrung der rechten Gehirnhälfte und wird heutzutage gerne als Intuition oder Bauchgefühl bezeichnet. Die Erfahrungen, die wir als Kind sammeln, speichern sich in uns ab und können sich im Erwachsenenalter in unserer Gefühlswelt – zum Beispiel als emotionale Überreaktion – bemerkbar machen.
„Du siehst die Welt nicht so, wie sie ist. Du siehst sie so, wie Du bist.“
Durch die Erfahrungen, die wir machen, entwickeln wir gewisse Glaubenssätze über uns selbst, unsere Mitmenschen und die Welt im Allgemeinen. Wenn wir z.B. als Kind das Gefühl hatten, nur geliebt zu werden, wenn wir brav, fleißig und genügsam waren und im Gegenzug Ablehnung auf Gefühle wie Wut oder Trauer erfahren haben, entwickelt sich in uns ein Glaubensmuster, dessen einziges Ziel es ist, geliebt und somit auch versorgt zu werden: Wir denken, dass gewisse Gefühle nicht erlaubt sind und verstecken diese vor der Umwelt und meist auch vor uns selbst. Dass wir jedoch nur gesund (=ganz) sein können, indem wir alle Aspekte unseres Selbst annehmen und lieben lernen, ist den meisten Menschen nicht bewusst.
Wir versuchen Gefühle und Verhaltensweisen zu kultivieren, die uns vermeintlich die Liebe und Versorgung der Außenwelt sichern.
Ein Überblick
Die verschiedenen Anteile in uns
Je nach Situation agieren wir entweder mit dem Anteil des inneren Erwachsenen oder dem des inneren Kindes. Folgender Überblick soll dir ein paar Anhaltspunkte geben, um es dir zu erleichtern, eigene Verhaltensweisen besser einzuordnen:
Der innere Erwachsene
Der lieblose innere Erwachsene:
Dies ist der Anteil in uns, welcher auch mit dem Ego gleichgesetzt werden kann. Er handelt rational und drückt sämtliche Gefühle sowie die Intuition beiseite. Er meint, er wisse, wie man sich zu verhalten habe, um gut in der Welt überleben zu können. Er denkt außerdem, den Schmerz des inneren Kindes nicht ertragen zu können, lenkt sich mit Süchten von seinem Gefühlsleben ab und fühlt sich so vermeintlich sicher. Der lieblose Erwachsene hat das innere Kind sozusagen verlassen.
Der liebevolle innere Erwachsene:
Dieser Anteil ist ebenso rational, möchte jedoch von den Gefühlen des inneren Kindes lernen, anstatt Schmerz zu vermeiden. Er tritt in Kontakt mit dem inneren Kind, nimmt dieses so an, wie es ist, ohne es zu bewerten und möchte seine Gefühle verstehen. Außerdem klärt der liebevolle innere Erwachsene das Kind über die Wahrheit auf, indem es falsche Glaubensmuster ins rechte Licht rückt.
Bsp.: Inneres Kind: „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden. Ich bin nicht gut genug.“ Liebevoller Erwachsener: „Du bist unendlich wertvoll und keine Handlung oder Meinung eines anderen Menschen kann über deinen Wert bestimmen.“
Das innere Kind
Das verletzte/verlassene innere Kind:
Dieser Anteil entsteht durch schmerzliche Erfahrungen und das daraus resultierende schmerzvermeidende Verhalten, das wir entwickeln, um gewisse Erfahrungen und Gefühle nie wieder erleben zu müssen. In diesem Modus handeln wir wortwörtlich „kindisch“ und erleben uns selbst vielleicht als trotzig oder manipulierend.
Das geliebte innere Kind:
Dies ist jener Teil in uns, der komplett unverfälscht den Kern unseres Wesens lebt. Der Anteil mit unseren natürlichen Gefühlen, unser Sinn für Humor, unsere Sanftheit, unsere Talente, unsere Weisheit, Kreativität, Verspieltheit, Intuition, Neugier, Spontaneität, Empfindsamkeit, Sinnlichkeit und unser Gespür für Wunder.
In jedem Augenblick unseres Lebens fühlt sich unser inneres Kind von unserem Erwachsenen entweder geliebt oder nicht geliebt. In der Trennung fühlen wir uns meist einsam, leer, traurig, ängstlich oder voller Scham. Lernen wir, die Verbindung zwischen den Anteilen wieder liebevoll herzustellen, sind wir in der Lage, mit unserer Kreativität, Leidenschaft und Freude mitzuströmen.
Wieso haben wir solche Angst vorm Fühlen?
Wir verstecken Anteile und Gefühle vor der Umwelt und meist auch vor uns selbst. Wir sperren sie in ein dunkles Kämmerchen und wollen sie am liebsten ganz von uns abkapseln. Sie treten in den Schatten und treiben von dort ihr Unwesen, indem sie uns immer wieder einholen.

Die Wahrheit

Die Wahrheit jedoch ist, dass wir vollkommen perfekt und liebenswert sind, wie wir sind. Mit all unseren Gefühlen, Gedanken und Handlungen. An unserem Wert kann nichts und niemand etwas ändern. Wenn wir jedoch unser Leben lang unsere Gefühle vom Außen abhängig machen – indem wir diesen an der Liebe und Aufmerksamkeit anderer Menschen messen – werden wir uns immer unsicher und oft auch wertlos fühlen.
Wenn wir die Verbindung zwischen innerem Erwachsenen und innerem Kind wieder herstellen – dies bezeichnet man übrigens als Inner Bonding (darüber berichte ich im nächsten Artikel mehr) – können wir wahre Heilung erleben. Man kann die einzigartige Erfahrung machen, dass man sich selbst alles geben kann, wonach man sich sehnt und lernt für sich selbst da zu sein, seine eigene Leere zu füllen und alte Schmerzen zu heilen.
Nachdem du nun weißt, was es mit dem inneren Kind auf sich hat und dich vielleicht in Vielem wiedererkannt hast, möchte ich dir natürlich auch zeigen, wie du im Alltag besser damit umgehen kannst. Ich möchte dir Tools an die Hand geben, die dir dabei helfen, die Verbindung zu deinem inneren Kind wieder herzustellen und alte Verletzungen zu heilen.
Im nächsten Beitrag wird es unter anderem um das Inner Bonding gehen. Dabei lernst du, wie wichtig FÜHLEN im Heilungsprozess ist.
3 Kommentare
Hallo,
Mit großem Interesse las ich soeben ihren Artikel,
Vermisse jedoch den nächsten , angekündigten Beitrag über das – inner Bonding–
Die Wichtigkeit des Fühlens um zu heilen.
Ich habe eine PTBS, und tue mich so schwer mein traumatisiertes inneres Baby zu spüren.
Über eine Antwort freue ich mich.
LG
U.miess
Hallo U.miess,
du hast vollkommen recht.. der Folgeartikel lässt schon viel zu lange auf sich warten! 🙂
Dein großes Interesse habe ich weitergeleitet!
Ganz liebe Grüße! und danke für dein Kommentar!
Natalie 🙂
Still missing den Folgeartikel ?